Fachwissen
Rechtliche Beurteilung von Veröffentlichungen im Internetauftritt des RKI über die Anforderung an die Aufbereitung von Medizinprodukten
04.11.2021
8 Abs. 2 Satz 1 MPBetreibV enthält die gesetzliche Vermutung, wonach eineordnungsgemäße Aufbereitung vermutet wird, wenn die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Kranken-haushygieneund Infektionsprävention am Robert Koch-Institut und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den “Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten” (KRINKO/BfArM-Empfehlung) beachtet wird. Sobald die Fundstelle der KRINKO/BfArM-Empfehlung vom Bundesministerium für Gesundheit im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden ist, wird die Empfehlung bindend. Auch Änderungen oder Ergänzungen der KRINKO/BfArM-Empfehlung müssen gemeinsam von KRINKO und BfArM veröffentlicht werden und die Fundstelle muss im Bundesanzeiger bekannt gemacht werden, damit die Änderungen bindend werden. Einzelnen Stellungnahmen des RKI kommt nicht die Bindungswirkung einer KRINKO/BfArM-Empfehlung zu.
Darauf verweist auch das RKI auf der Frage/Antwort-Seite seines Internetauftritts1: bezug-nehmend auf die KRINKO/BfArM-Empfehlung wird im Einleitungstext darauf verwiesen, dass die rechtlich bindende Empfehlung gemeinsam durch KRINKO und BfArM verfasst wurde und dass diese beiden Institutionen kompetent sind, Empfehlungen zur Aufbereitung zu veröffentlichen. Die Kompetenz des RKI liege hingegen auf anderem Gebiet: „Die Expertise des RKI bezieht sich vornehmlich auf Aspekte der Inaktivierung von Krankheitserregern.“
Die juristische Einschätzung ist, dass die 2012 veröffentlichte Empfehlung der KRINKO/BfArM unverändert zu beachten ist. Die auf der Webseite des RKI dargestellte Meinung „Zur Frage der Validierbarkeit der abschließenden Desinfektion von semikritischen Medizinprodukten mittels Wischtüchern“1 stellt keine Aktualisierung der Empfehlung dar, sondern ist lediglich eine Antwort des RKI auf eine Frage.3
Ausführungen, die belegen, dass das Tristel Trio Wipes System und Tristel Duo die Anforderungen an die Aufbereitung semikritischer Medizinprodukte analog der KRINKO-/BfArM-Empfehlung erfüllen und damit nicht im Widerspruch zu § 8 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung stehen, finden Sie hier bzw. hier.
Offen bleibt, ob die Meinungsäußerung auf der RKI-Internetseite Einfluss auf den Stand von Wissenschaft und Technik hat, denn gemäß Abs. 1 der KRINKO/BfArM Empfehlung muss dieser bei der Aufbereitung beachtet werden. Der Stand von Wissenschaft und Technik beinhaltet die neuesten technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse. Ein Aspekt könnte als Stand der Technik anerkannt sein, wenn: a) eine Mehrheit relevanter Experten die Technologie befürwortet, und b) die Technologie weit-verbreitet in der Praxis funktioniert. Es könnte als Stand der Wissenschaft anerkannt werden, wenn c) Fachzeitschriften, klinische Studien oder andere wissenschaftliche Daten die Erkenntnis belegen.
Das RKI hat zwar Expertise auf dem Gebiet der Infektionsprävention, allerdings haben wichtige, für die Aufbereitung von Medizinprodukten relevantere Fachgremien die Wischdesinfektion in Richtlinien und Empfehlungen aufgenommen, u.a. der Verbund für Angewandte Hygiene4, die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene5, die Deutsche Gesellschaft für Sterilgut-versorgung6 und die österreichische Ärztekammer7.
Zu guter Letzt ist zu bemerken, dass keine der geäußerten Kritikpunkte in der RKI-Meinung mit Zitaten belegt oder mit Referenzen zu veröffentlichten und nachvollziehbaren klinischen Studien oder anderen wissenschaftlichen Daten versehen ist.
Es kann nicht abschließend festgestellt werden, ob und wie die RKI-Aussage unter dem Gesichtspunkt des Standes der Wissenschaft und Technik Einfluss auf die Gesetzeslage hat.
Nichtsdestotrotz ist die Aussage des RKI eine Bedenkensäußerung, die individuell bewertet werden sollte.
Die Aufbereitung (Wischdesinfektion) mittels des Tristel Trio Wipes Systems und des Tristel Duo könnte dagegen durchaus als zeitgemäße und anwendbare Desinfektionsmethode und Stand der Wissenschaft und Technik betrachtet werden.
- Wischen ist eine etablierte Desinfektionsmethode für semikritische Medizinprodukte ohne Kanäle und schwer erreichbare Stellen. Sie wird von den relevantesten Gremien akzeptiert und ist in deren Empfehlungen wiederzufinden. Beispiele sind:
- Der Verbund für Angewandte Hygiene (VAH) gab 2019 eine Empfehlung speziell für die Wischdesinfektion heraus.8 Diese Publikation gibt praktische Hinweise für die Erstellung einer Standardarbeitsanweisung für die Wischdesinfektion basierend auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft, Technik und Praxis. Die Empfehlung zielt darauf ab, wie eine erfolgreiche Wischdesinfektion von semikritisch A Medizinprodukten gelingen kann.
- Der Fachausschuss Qualität der Deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung (DGSV) verfasste 2016 eine Empfehlung zur Desinfektion von Flächen und Medizinprodukten. In Teil 2 findet sich der Satz: „Wenn die Tauchdesinfektion nicht möglich ist, wird eine Wischdesinfektion mit einem Flächendesinfektionsmittel mit entsprechendem Wirkungsspektrum durchgeführt.9“ Zusammengefasst wird zudem: „Die manuelle chemische Desinfektion erfolgt bei Raumtemperatur als Tauch- oder Wischdesinfektion“10.
- Die Arbeitsgemeinschaft Praxishygiene der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaus-hygiene (DGKH) gab 2017 einen Leitfaden über hygienische Aspekte in der gynäkolo-gischen Praxis heraus.11 Darin wird die manuelle Aufbereitung von transvaginalen Ultraschallsonden unmittelbar nach der Benutzung beschrieben als das Entfernen der Schutzhülle und des Gels (Reinigung), einer Wischdesinfektion der Sonde und dem Abwarten der Einwirkzeit.
- Die fachspezifische Empfehlung gemäß §3 der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die hygienischen Anforderungen von Ordinationsstätten und Gruppenpraxen sagt: „Starre und flexible Endoskope ohne Arbeitskanal, welche zur Diagnostik im HNO-Bereich eingesetzt werden, können mit den von den Herstellern empfohlenen Wischdesinfektionsverfahren bzw. -tüchern nach jedem Gebrauch desinfiziert werden.“12.
2. In Deutschland wird das Tristel Trio Wipes System bzw. Tristel Sporicidal Wipe seit seiner VAH-Listung 2012 umfangreich zur Desinfektion von Ultraschallsonden und anderen semikritischen Medizinprodukten ohne Kanal verwendet. Allein in den letzten fünf Jahren haben etwa 2000 medizinische Einrichtungen in Deutschland Tristel Wipes erworben; über 5 Millionen Desinfektionen wurden damit durchgeführt.
Das Tristel Duo wurde in 2014 VAH-gelistet. In Deutschland haben in den letzten fünf Jahren über 1.300 medizinische Einrichtungen das Tristel Duo zur Desinfektion von Ultraschallsonden erworben und damit über 11,4 Millionen Desinfektionen durchgeführt.
3. Es gab bisher keine dem BfArM oder uns gemeldeten sicherheitsrelevanten Vorkommnisse bezüglich Tristel Duo oder des Tristel Sporicidal Wipes. Ganz im Gegenteil, davon ausgehend, dass medizinische Einrichtungen regelmäßig Abklatschtests oder andere mikrobiologische Untersuchungen zur Überprüfung des genutzten Aufbereitungsprozesses durchführen, kann man davon ausgehen, dass das Tristel Trio Wipes System und Tristel Duo in der Praxis sehr effektiv wirken.
4. Die wissenschaftliche Datenlage zum Tristel Trio Wipes System wurde, im Zuge der Registrierungen mit besonders strengen nationalen Behörden weltweit, besonders gründlichen Untersuchungen unterzogen. Dazu gehören die australische TGA, die chinesische CFDA (bzw. National Medical Device Administration – NMPA) oder die noch laufende Registrierung des Tristel Duo als High-Level-Desinfektionsmittel bei der US-amerikanischen FDA.
5. Die neueste wissenschaftliche Studie “The ability of two chlorine dioxide-based products to inactivate human papillomavirus on endocavity ultrasound probes and nasopharyngoscopes” von Prof. Dr Craig Meyers et al wurde 2020 auf Deutsch in der Fachzeitschrift Hygiene & Medizin veröffentlicht.13
Es liegt nahe, dass die Aufbereitung mittels des Tristel Trio Wipes Systems bzw. des Tristel Duo als Teil des Standes von Wissenschaft und Technik betrachtet werden kann.